Startseite » Ausstellungen » Von der Malerei zur Fotografie zur Malerei
Das Pixellabor ist der Pinsel des Fotografen. Das diese Verschiebung vom Objektiv zum Computer, vom Wirklichkeitswahn zum Wahrnehmungssinn, ein galoppierendes trojanisches Pferd sein kann, erweist schon die pure Größe der in Holzrahmen eingefassten Arbeiten von Nina Pohl, die ohne grossväterliches Passepartout Fotografie an ihre Wahrnehmungsgrenze treibt.
Was die Künstlerin in ihren hochformatigen Arbeiten produziert, ist vor allem anderen zuallererst; ein Bildereignis. Danach; Natur als Motiv, in entfesselt surrealer Kraft, die romantische Falle überwältigend aufgebaut und oft an den Rand zitiert; zartbitter ironische Spuren der Zivilisation.
Ein düsterer Paradiesbaum bewaffnet mit einer unendlichen Galaxis rot leuchtender Äpfel zu dessen Wurzel angewehter Müll sich findet. Das kurvig ornamentale Wintergewebe einer Schlingplanze mit dem Namen: Je Länger Je Lieber, welche sich in ihrer stetig nicht endenden knochigen Verzweigung das pedale Natureroberungsgefährt einverleibt, das Mountainbike. Gigantische Schluchten, in denen die Wassermassen einer atomisierten Milchstrasse gleichen und am Rande verloren kleine Figuren in die Fragwürdigkeit ihrer Existenz starren.
Die Strategie der subversiven Schönheit erzeugt in diesen Arbeiten schimmernde Verhältnisse: zwischen Narrativen und Unendlichen, Tatort und Meditation, Abstraktion und Gegenstand; ein Spannungsfeld aufbauend, das von latenter Gewalt, von einem sublimen Unbehagen unserer Gegenwart kündet.
In der Verhandlung imaginärer Räume nimmt Nina Pohl in jüngeren Arbeiten Kurs auf die Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts der Düsseldorfer Schule. Die Künstlerin vergrössert das beschauliche Querformat des Originals zum raumsprengenden Hochformat. Die entstehende vertikale Leerstelle; der Vordergrund, wird mit eigenen Bildmotiven angeführt: Hier eine Invasion eingekapselter Seerosen in einem öligen Tümpel, der an die reproduzierte Uferlandschaft des Ölgemäldes grenzt. Dort schlammige „Off Road“ Spuren entlang eines weissglänzendes Baches, der nahtlos seine Schleife in den Hintergrund des naturalistischen Landschaftsmotivs schlägt.
Die Netzhaut kitzelnde Vergrößerung einer anderen „Malerei“ wird gleich zweimal in den Vordergrund zitiert (Die goldene Insel, Kolbe). Die ölmaterialisierten Rückenfiguren betrachten selbstversunken nicht nur den Ihnen ursprünglich zugestandenen Raum des sonnengelben Eilands, sondern auch den vertikal weitergeführten fotografischen Himmel im Morgen- und Abendlicht.
Erledigen Hinter- oder Vordergrund, Teile des fotografischen Raumes die Anderen, geht Nina Pohl mit Gustave Courbet, Meister des Realismus und damit schon im Verdacht Vorgänger der Fotografie zu sein, einen Schritt weiter. Als konsequent einfache und zugleich komplexe Verdichtung ihrer Bildstrategie bearbeitet Nina Pohl das Werk des Malers; Die Welle (1870), und macht sie zum fotografischen Grund.
Der Akt der affirmativen Aneignung manifestiert sich im gigantisch vergrösserten, vertikalen Ausschnitt des Gemäldes; hier ist zentriert, auf der Horizontlinie zu sehen; die vom Ölfirnis peinlich reflektierte Lichtquelle; die Entlarvung jedes blitzenden Amateurs; die eigene Sonne; Indiz der Anwesenheit.
Und erstmalig kein weiteres Hineinweben eigener Bildmotive in das Zitat, sondern die schiere Präsenz der Vergrösserung; der chromatischen Partikelgewalt. Das Punktum des Blitzlichts löscht die Mitte, beleuchtet epizentrisch das gemalte Meer, hebt die Fragmentierung der Oberfläche vor; die runzlige Ölhaut analog zur Restpoetik der Schallplatte; dem Knistern.
Der späte Courbet, Vorreiter auch einer abstrakten Malerei, die im Augenblick mehr Bewegung als Gegenstand festhält, wird buchstäblich konkreter und grösser. Und die Fotografie emanzipierter. Nina Pohl fetischisiert das auratische Moment der Malerei und hält die Versuchsanordnung in der Fotografie transparent ohne sie ihres immanenten Wirklichkeitsreflexes zu berauben.
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